Dr. med. Colette Carmen Camenisch ist leidenschaftliche plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgin an der «Clinic Beethoven­strasse AG» in Zürich. Sie hat ein besonderes Faible für die ästhetische Gesichts- und Brustchirurgie. In diesem Interview beantwortet sie unter anderen die Frage: «Was ist Schönheit?»

Wenn Sie eine Patientin wären oder ein Bedürfnis zur ästhetischen Veränderung wünschten, was würden Sie an sich machen lassen?

Das kann ich so nicht beantworten, da ich sowohl Frau wie Chirurgin bin und somit einen anderen Blickwinkel habe. Dann stellt sich die Frage, was mit «machen lassen» gemeint ist? Sprechen wir von einer chirurgischen Veränderung, so muss meines Erachtens ein gewisser Leidensdruck bestehen. Einfach aus einer Laune heraus sollte man keine operativen Eingriffe machen lassen. Auf der anderen Seite kann man sich an kleinere Veränderungen, wie eine Volumizing der Lippen oder eine Skinbooster-Therapie sicher ohne längere, tiefschürfende Überlegungen wagen. Diese Behandlungen halten nur 6 bis 9 Monate an und sind somit reversibel.

Was ist Schönheit für Sie persönlich?

Meiner Meinung nach gibt es mehrere Perspektiven für Schönheit. Jeder Mensch hat seine eigene Vorstellungen von Schönheit, bestimmt durch kulturelle Unterschiede und zeitliche Faktoren. Das Alter spielt auch eine Rolle zur Begründung was Schönheit ist – Generationenunterschiede. Objektiv betrachtet wird Schönheit immer wieder in Kontext mit dem goldenen Schnitt gebracht. Denn dieser steht für die Vollkommenheit, Symmetrie und Ästhetik. Ich persönlich empfinde eine Frau als schön, wenn sie sich wohlfühlt in ihrem Körper, zufrieden ist mit sich selbst und eine ästhetische Erscheinung hat.

Wohin entwickelt sich die Schönheitschirurgie und welche Operationen gehören für Sie zur täglichen Routine?

Der Wunsch unserer Patientinnen bewegt sich dahin, dass man immer mehr minimal-invasive Treatments möchte. Zudem sind Operationen und Behandlungen mit minimaler «Down Time» (Reintegration ins Gesellschaftsleben) gefragt. Niemand will sich mehr wochenlang auf einer einsamen Insel verkriechen, bis er/sie wieder vorzeigbar ist. Mein Operationsplan ist meist geschmückt mit Augenlidstraffung, Reiterhosen entfernen und Brustoperationen – für die ich ein gewisses Flair habe und die ich sehr gerne operiere. Dazu gehören Brüste straffen, Brüste verkleinern und vergrössern. Vor allem die perfekten Resultate erfreuen mich jedes Mal wieder aufs Neue. Und natürlich das Feedback der glücklichen Patientinnen, die sich wieder gut und wohl fühlen in ihrem Körper.

Miss Schönheitsoperation in China, was halten Sie davon?

Das gibt es? Finde ich schrecklich! Eine Operation ist eine ernstzunehmende Sache mit Folgen und Risiken. Daraus sollte keine Show gemacht werden.

Die Nachfrage an plastischen Eingriffen ist stark gestiegen, warum? Ist es narzisstisch, dass man schöner sein will als andere?

Die Anzahl der plastisch-ästhetischen Eingriffen weltweit steigt nur unmerklich. Allerdings steigt die Nachfrage nach ästhetischen Treatments wie Laserbehandlungen, Injektionen mit Hyaluronsäure und Muskelrelaxants immer noch deutlich an. Ich denke, dass es nicht narzisstisch ist, sich gut und frisch zu fühlen; und das ist es, was die Mehrheit will. Für meine Patientinnen steht nicht die Frage: «Was ist Schönheit?» im Vordergrund – sie wollen sich ganz einfach in ihrer persönlichen und individuellen Erscheinung besser fühlen. Ich behandle zum Beispiel viele Frauen, die nichts weiter wollen, als Kleider von der Stange kaufen zu können. Ihnen kann ich mit einer Brustverkleinerung helfen.

Apropos ideale Brustgrösse. Auf was legen Sie wert, wenn es um die Beratung einer speziellen Operation geht?

Individuelle Beratung beginnt damit, dass man auf die Bedürfnisse und Wünsche der Patientin eingeht. Dazu gehört auch eine Analyse der Anatomie, die bekanntlich sehr unterschiedlich sein kann. Eine Beratung für eine Brustvergrösserung bedeutet für die eine Patientin ein anatomisches (tropfenförmiges) Implantat und bei einer anderen Patientin ein rundes Implantat. Mehr dazu im Artikel: Wohlgeformt – Methoden der Brustvergrösserung

Deshalb ist es immer etwas schwierig, wenn Patientinnen mit vorgefassten Meinungen in die Sprechstunde kommen. Oft denken sie, was bei ihrer Freundin gut war, muss auch für sie gut sein. Dem ist oft nicht so; Grösse, Gewicht, Alter und Schwangerschaften verändern einen Körper und fordern auch verschiedene Operationstechniken. Auch hier gilt: «Was ist Schönheit?» lässt sich nicht pauschal beantworten und ist von Frau zu Frau verschieden.

Was sollte man beachten, wenn man sich für eine Schönheitsoperation entscheidet?

Man muss sich bewusst sein, dass eine Operation kein Mode-Accessoire ist. Dementsprechend sollte man sich über Nebenwirkungen und Risiken gut informieren. Genauso wichtig ist es, dass man sich Zeit für die Heilung nimmt; Patientinnen, die zwischen «Tür und Angel» schnell eine Operation machen wollen, riskieren, mit Komplikationen konfrontiert zu werden. Der Körper wehrt sich, wenn man ihm zu viel zumutet. Und natürlich muss das Vertrauen zwischen Patient und Chirurg da sein; sonst sucht man sich besser einen anderen Arzt.

Was ist das heutige, mitteleuropäische Schönheitsideal?

In Europa strebt man jugendlichen-sportliche Figuren mit knackigem Po und einer schön geformten Brust an. Die Grösse ist dabei nicht so relevant. Aus Studien weiss man, dass wir Menschen mit schönem, dichten Haar, weissen Zähnen und einer makellosen Haut bevorzugen. Bei Frauen sollte die Nase fein, die Augenbrauen eher leicht geschwungen, der Mund voll und die Augen mandelförmig sein. Beim Mann darf die Nase etwas grösser und gerade sein, die Augenbrauen sollten dicht und gerade sein und das Kinn stark und ausdrucksvoll. Es gibt viele solcher sekundären Geschlechtsmerkmale, die eine ideale Frau oder einen perfekten männlichen Körper beschreiben. Allerdings gibt es kaum jemanden, der all diese Schönheits-Attribute aufweist; spannenderweise streben aber die Mehrheit der Menschen diese 0,1 Prozent Perfektion an. Das ist wohl das Verrückteste daran.

Das Klientel wird immer jünger. Warum? Was ist dabei die Rolle der Medien?

Ich finde nicht, dass unsere Patientinnen immer jünger werden. Nur die Menge an jungen Patienten hat zugenommen. Ja, wahrscheinlich ist der Einfluss der webbasierenden sozialen Medien schuld daran, dass sich heute viel mehr junge Menschen mit der Frage «Was ist Schönheit?» befassen. Sogar meine dreieinhalbjährige Nichte weiss, was ein «Selfie» ist und schmeisst sich in Pose, um sich anschliessend selbst zu bestaunen.